Die Folgen der Pandemie für den Flugverkehr

Im Frühjahr 2020 brachten die COVID-19 Pandemie und die folgenden Reisebeschränkungen und Lockdowns das weltweite Flugverkehrsnetz beinahe komplett zum Erliegen.

Über ein Jahr später hat sich die tägliche Mobilität in Deutschland wieder weitestgehend normalisiert—im Gegensatz zum Flugverkehr, der immer noch alles andere als normal ist. In diesem Blogpost werfen wir einen Blick darauf, wie die Pandemie den Luftverkehr in Deutschland im Detail verändert hat.

Das deutsche Flugaufkommen im internationalen Vergleich

Die Pandemie hat das Flugnetz verschiedener Länder unterschiedlich stark getroffen. Chinas Luftverkehr konnte sich nach der ersten Welle schnell erholen. Auch in den USA werden wieder ähnliche Auslastungen erreicht wie vor der Pandemie, nach einer langsameren aber stetigen Erholung.

In Deutschland hingegen, wie auch in den meisten anderen europäischen Ländern, gab es nach einem leichten Anstieg im Sommer 2020 noch einen zweiten Einbruch im Winter 2020/2021, nachdem das Niveau von 2019 nicht wieder erreicht wurde.

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Diese Grafik zeigt die aggregierten Flugkapazitäten Deutschlands im Vergleich zu den USA, China und Großbritannien. Die Sitzkapazität bezieht sich auf das Level von Januar 2020.

Es ist auf den ersten Blick überraschend, dass der Flugverkehr in Ländern wie den USA und China fast wieder auf Normalniveau liegt. Ist China nicht weiterhin sehr abgeschottet von der Welt? Ja, aber große Länder wie China haben viele Inlandsflüge, während in kleineren Ländern internationale Flüge überwiegen. Das wird deutlich, wenn wir Inlands- und Auslandsflügen unterscheiden.

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Diese Graphik zeigt die aggregierte Flugkapazitäten Chinas und der USA, aufgeteilt nach Inlandsflügen und Auslandsflügen. Die Volumen sind gestapelt, was zeigt wie gering der Anteil an Auslandsflügen ist, besonders in China.

In China konnte sich der inländische Flugverkehr rasch erholen, während der internationale Verkehr fast vollständig zum Erliegen kam. In den USA sehen wir einen langsamen, aber stetigen Anstieg.

In Deutschland ist die Dynamik eine ganz andere. Einerseits überwiegen hier natürlich die internationalen Flüge deutlich, aber die Inlandsflüge haben sich hier auch deutlich weniger erholt als die Auslandsflüge:

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Diese Graphik zeigt die aggregierte Flugkapazitäten Deutschlands, aufgeteilt nach Inlandsflügen und Auslandsflügen.

Es ist möglich, dass viele Reisende weiterhin die Enge der Flugzeugkabine meiden oder auf Reisen verzichtet. Auch möglich wäre, dass es sich hier um viele Geschäftsreisen gehandelt hat, die aktuell nicht stattfinden oder sich in das Web verlagert haben. In dem Fall könnte es sich um eine permanente Veränderung handeln.

Die wichtigsten Auslandsziele

Die meisten Flugreisen in Deutschland sind Auslandsflüge, aber wohin fliegen die Deutschen?

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Diese Grafik zeigt die 5 am Häufigsten angeflogenen Ziele jeden Monat. Die meisten Flüge gehen nach Europa: Spanien (ES), Großbritannien (GB), Italien (IT), Österreich (AT), Rumänien (RO), Polen (PL), Griechenland (GR), Portugal (PT) und die Niederlande (NL) sind alle vertreten. Zwei Länder liegen in Asien: die Türkei (TR) und die Vereinigten Arabischen Emirate(AE), und ein Land in Amerika: die USA (US).

Wir sehen, dass sich die meistgeflogenen Routen während der Pandemie ständig geändert haben, wie sich ja auch die Reisebestimmungen und Inzidenzen geändert haben. Im ersten Lockdown waren alle nichteuropäischen Lander komplett aus den Top 5 verschwunden. Im zweiten Lockdown sehen wir einige recht ungewöhnliche Ziele wie Portugal und insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate, die zu diesem Zeitpunkt offener für den Tourismus waren. In den Sommermonaten dominieren mediterrane Länder, wie Spanien, Griechenland und die Türkei.

Wir können die Verlagerung hin zu den südlichen, europäischen Ländern gut auf diesen Karten verfolgen:

Januar 2020April 2020September 20210M1MSitzkapazität

Diese Graphik zeigt die gesamte Sitzkapazität aller Flüge zu europäischen Zielen. Je dunkler die Schattierung, desto höher das Flugverkehrsaufkommen. Grau schattierte Länder wurden nicht angeflogen oder wurden nicht einbezogen (nur Deutschland).

Die meisten nördlichen oder östlichen Länder haben weiterhin ein klar geringeres Flugverkehrsvolumen aus Deutschland. Der Flugverkehr in den Mittelmeerraum hingegen befindet sich über dem Niveau von Januar 2020, was vermutlich auch an normalen, tourismusbedingten saisonalen Mustern liegt. Sichtbar ist auch der vollständige Flugstopp nach Weißrussland, der durch EU Sanktionen begründet ist.

Zusammenfassung

Während sich die lokale Mobilität in Deutschland wieder weitestgehend normalisiert hat, wie im Mobility Monitor zu sehen, ist der Luftverkehr weiterhin stark reduziert. In manchen Ländern hat sich das Gesammtvolumen vor allem Dank eines starken Inlandsverkehrs wieder erholt. In Deutschland hingegen sind die Inlandsflüge aktuell weit unter dem Niveau von 2019.

Hat die Pandemie hier zu einem permanenten Wandel geführt? In Anbetracht der politischen Diskussionen um Kurzstreckenflüge scheint das möglich. Das hätte auch weitgehende Auswirkungen darauf, wie wir Bewegungsdaten während einer Pandemie bewerten müssen, und wie die Ausbreitung von Infektionskrankheiten beeinflusst wird. Wir werden die Daten in den kommenden Monaten weiter analysieren.

Die kommerzielle Datenquelle von der wir die Daten dieser Analyse beziehen, die OAG, stellt uns Sitzplatzkapazitäten zur Verfügung, die direkt aus der Anzahl der Flüge und der Sitzplätze pro Flugzeug berechnet werden. Vor der Pandemie waren Flüge meist soweit ausgebucht, dass es hier kaum Diskrepanzen zu der tatsächlichen Anzahl an fliegenden Personen gab. In der Pandemie mussten viele Fluggesellschaften jedoch unter Kapazität fliegen, durch Schutzmaßnahmen oder ausbleibenden Kunden. Daher gehen wir davon aus, dass in den vorliegenden Daten die Anzahl der Fluggäste etwas überschätzt wird, besonders in der ersten Welle der Pandemie.

Adrian Zachariae
Adrian Zachariae
PhD Student

Meine Forschungsinteressen sind gefährlich weit gefächert und umfassen Evolutionsdynamiken, Menschliche Mobilität und Soziale Netzwerke der Honigbiene.

Frank Schlosser
Frank Schlosser
Wissenschaftlicher Projektleiter

Frank erforscht menschliche Mobilität anhand von Mobilfunkdaten und ihren Zusammenhang mit der Ausbreitung von Infektionskrankheiten.